07. Nov 2024
Erfahrungsbericht Großbaustelle Jahnshof
Erfahrungsbericht
Großbaustelle Konradsheim Jahnshof
Stand November 2024
Im Dorf Konradsheim, Stadtteil von Erftstadt, ist nach mehr als 30 Jahren Stillstand eine nicht mehr genutzte große Fläche einer neuen Nutzung zugeführt worden. Die alte Bebauung, von der Ausnahme der alten ehemaligen Dorfkneipe abgesehen, hatte keinen architektonischen oder Denkmal Wert, verfiel immer mehr und stellte eine Gefahr für die Anwohner dar. Die neue Nutzung war wegen der Größe sehr ambitioniert. Das ganze Gelände sollte komplett einer einzigen Nutzung zugeführt werden. Die Stadt Erftstadt verfügt über keine Erfahrungen mit einer so großen Baustelle und wohl auch nicht über die dazu erforderliche Unterstützung durch Werkzeuge für Planung, Software, Kontrolle und Management. Verschärfend kommt hinzu, dass bedingt durch die Lage des Grundstückes, nicht nur eine Reihe privater Interessenten, sondern auch mehrere Behörden unterschiedlicher Ebenen in Teilen zuständig sind. Vorherzusehen waren Friktionen schon alleine durch das Fehlen einer gemeinsame Informationsplattform für alle Player. Planungswerkzeuge sind bis heute nicht vorhanden. Für die beteiligten Behörden sind ohne Planungswerkzeuge zeitgerechte Planungs- und Ausführungshandlungen kaum möglich und sind für das ganze Vorhaben ein zeitliches und finanziell unkalkulierbares Risiko. Die kleinteiligen Zuständigkeitsregeln der Behörden machen es zudem schwer, zum jeweils benötigten Zeitpunkt die erforderlichen Entscheidungen zeitgerecht zu erhalten. Die auf kommunaler Ebene übliche Nutzung von Knowhow regionale Firmen konnte, bedingt durch die Größenordnung, manche Defizite an Kompetenz und Erfahrung nicht ausgleichen. Für die Zukunft wäre es hilfreich, wenn das jeweilige Bundesland effektiv unterstützen könnte ohne die Kompetenzen vor Ort auszuhebeln.
Für die anstehenden Aktivitäten hat die IG Konradsheimer Bürger e.V. Wünsche mit dem Ziel, bisher erkannte Fehler nicht zu wiederholen.
1. Es wird eine allen Beteiligten offene Informationsplattform eingesetzt. Dazu wird eine ungeteilte Verantwortung geregelt. Die Mitglieder des Rates sind ebenfalls zugriffsberechtigt!
2. Der Durchführungsvertrag ist so anzupassen, dass er für alle beteiligte Behörden Gültigkeit hat.
3. Alle notwendigen Handlungen, die von den Regeln des Durchführungsvertrages abweichen sind vor den Rat der Stadt zu bringen und entweder zu Änderungen der Regeln des Vertrages oder zu einer Unterlassungsrüge zu bringen.
4. Für alle Beteiligte Behörden und Firmen ist jeweils ein Ansprechpartner mit Namen, Funktion und Erreichbarkeiten zu benennen.
5. Das Geflecht von Auftragnehmern und Unterauftragnehmern ist sowohl für Behörden, als auch für die Firmen für alle Beteiligte einsehbar zu dokumentieren.
6. Es sind regelmäßige Sachstandsbesprechungen einzurichten, in denen Fortschritte, Absichten und Probleme für alle Beteiligte verständlich dokumentiert und veröffentlicht werden. Je nach Phase des Vorhabens sind die Abstände der Besprechungen unterschiedlich. Der Abstand ist grundsätzlich nicht größer als 1 Monat!
7. Der Baustellenverkehr ist vorab für alle verbindlich so zu regeln und zu beschildern, dass der Bau nicht behindert oder unnötig erschwert wird und die Belästigung des Verkehrs und der Anwohner erträglich bleibt. Die Regelungen sind frühzeitig zu veröffentlichen. Kurzfristige Änderungen sind abzusprechen mit den Beteiligten und Betroffenen.
8. Für alle Beteiligte liegt die oberste Koordinierungsverantwortung bei der Bürgermeisterin der Stadt Erftstadt, die Verantwortung zu delegieren ist nicht möglich. Ausnahmen sind der Urlaub und dienstliche Abwesenheiten.
Solche Großvorhaben sind keine Selbstläufer. Es wäre eine vollkommene Überschätzung der Leistungsfähigkeit der vorhandenen Stabsorganisationen, wenn derart umfangreiche Vorhaben mit den vorhandenen Teams zusätzlich gemeistert werden können. Das Mindeste, was gebraucht wird, ist eine Koordinierungsstelle für einen geordneten Informationsfluss, laufendes Controlling, Steuerung und Ablauf der Bewegungen vor Ort, Warnung vor Gefahren, zeitgerechtes Einholen von Entscheidungen. Mit nur geringen Kosten kann im Vorfeld ein Informations- und Erfahrungsaustausch mit Kommunen organisiert werden, die schon ähnliche Projekte gemeistert haben, mit dem Ziel die notwendigen Werkzeuge kennen und einsetzen zu lernen, Kontakte für schnelle Hilfe für Fragen aufzubauen und mit den eigenen Mitteln vor die Entwicklung zu kommen, statt nur auf Probleme zu reagieren. Selbst die Kontakte, die man im Normalfall als gut und hilfreich einschätzt, müssen für solche außergewöhnlichen Lagen wiederbelebt werden. Es kann nie schaden, die Erfahrung ausgeschiedener ehemaliger Mitarbeiter, Rentner und Pensionäre zu nutzen. Diese sind oft bereit auch ohne Vergütung zu helfen und man ist zudem sicher, vor Profilneurosen geschützt zu sein. Ehrlichkeit ist in Stresssituationen oberstes Gebot.
Es hat sich herausgestellt, dass man außergewöhnliche Situationen am besten meistert, wenn die beteiligten Mitarbeiter nicht an der kurzen, sondern an der langen Leine geführt werden. Kontrollfreaks, die sich alle Entscheidungen des nachgeordneten Bereiches selber vorbehalten, werden schnell scheitern, weil ihnen die Zeit durch weniger wichtige Aufgaben gestohlen wird und dann schnell die Übersicht verloren geht. Wichtig ist zudem einen klaren Unterschied zu machen zwischen „verwalten“ und „führen“. Bei Großprojekten treten sehr oft Situationen auf, für die es keine Lösungsmuster gibt, auf die aber schnell reagiert werden muss. Für solche Situationen werden deshalb Mitarbeiter benötigt, die umsichtig, schnell, entschlossen und eigenverantwortlich handeln. Die Bereitschaft Fehler zuzugeben und daraus für künftige Aufgaben zu lernen statt abzustreiten und die Schuld bei anderen zu suchen, ist die Voraussetzung bei Großprojekten eingesetzt zu werden.
(RU 20241107)
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